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In den 70er Jahren machten die heißen "Salzburg-Käfer" von Porsche Austria bei internationalen Rallyes Furore. Dirk Bieber baute den historischen Renner nach, was nicht bedeutet, daß er das Auto bei histo- rischen Veranstaltungen einsetzt. "Das sind doch nur Kaffeefahrten," lautet sein Urteil. Er balgt sich lieber mit Golf, Honda Civic, Opel Corsa & Co - und macht damit auch heute noch Furore.

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Matsch-Fun
Nachbau des "Salzburg-Käfers"

Unter den Motorsportarten rangiert der Formel 1-Zirkus seit einigen Jah- ren unangefochten auf der Pole-Position. Jeder Achtkläßler kann die tech- nischen Daten von Schumis aktuellem Renn-Fiat (Verzeihung: Ferrari) im Schlaf herunterbeten. Das war nicht immer so. In den 70er Jahren genoß das Thema zwar insgesamt nicht solche Popularität, dafür hatten einige Steppkes auch ihre Favoriten im Rallyesport, wie zum Beispiel die heißen Käfer von Porsche Austria. Einer von ihnen baute sich einen solchen "Salzburg-Renner" nach.

An die Anfänge seiner Leidenschaft kann sich der Oldesloer
Beide Arbeitsplätze im Rallye-Käfer sind mit zahlreichen Instrumenten bestückt. Wichtigste Hilfsmittel des Beifahrers sind der Tripmaster von Datec (kleines Bild) und eine Stoppuhr
Dirk Bieber nur zu gut erinnern. Gemeinsam mit einem Schulfreund ver- folgte er 1982 völlig gebannt als Zu- schauer zum ersten Mal die Stormarn Rallye. Im Starterfeld tummelten sich unter anderem drei VW-Käfer.
Das weckte bei ihm unweigerlich Emo- tionen, schließlich bewegte er damals selbst einen als Alltagsauto. Gemeinsam mit dem Kumpel beschloß er, sich mit seinem 44 PS Nulldreier selbst im Motor- sport zu versuchen. Die erforderliche ONS-Fahrerlizenz war schnell beschafft und naßforsch meldete er sich zu den ersten Veranstaltungen, wo man bereits völlig unerwartete Erfolge erzielte. Nach ungefähr sechs Rennen rüstete Dirk seinen Käfer mit einem serienmäßigen 50 PS-Aggregat auf und bestritt weiterhin diverse
Rallyes in der Gruppe G für Serienfahrzeuge. Weil die Homologation für den Käfer zehn Jahre nach dessen Produktionsende auslief, konnte er anschließend nur noch in der "halboffenen" Klasse nach Gruppe 11-Reglement starten. Auch hier muß das Auto noch der StVZO entsprechen, innerhalb der ein- zelnen Hubraumklassen ist jedoch ziemlich viel frei- gestellt. Verschärfte Teilnahmebedingungen (Kat Pflicht für Rallyefahrzeuge) und die inzwischen gesammelten Fahrerfahrungen legten 1990 den Aufbau eines ersten professionellen Rennkäfers nahe.
Die Gesamtbauzeit des reinrassigen Sportgeräts betrug fast ein Jahr. Dabei ging die Hälfte der Zeit allein für die Entwicklung einer TÜV-gerechten Kat Auspuffanlage drauf, die natürlich nicht zuviel Staudruck verursachen durfte. Um so größer war Dirks Motivation, als er damit endlich wieder "Pistenluft" schnuppem konnte. Bei einem Unfall im regulären Straßenverkehr fand jener Käfer 1994 ein unrühmliches Ende, und Dirks Motorsportaktivitäten machten eine weitere Zwangspause.
Dem aufgeräumten 1600er sieht man seine 120 PS kaum an
Zu dieser Zeit reifte bei ihm die Idee, einen der berühm- ten Rallye Käfer nachzu- bauen, die in den 70er Jahren höchst erfolgreich von Porsche-Austria einge- setzt wurden und als "Salzburg-Käfer" Furore machten. Als Vorlage für die authentische Optik dienten ihm diverse zeitgenössische Auto-Magazine, die den getunten Schotter-Schleu- dern sogar mehrfach Titel- stories widmeten. Ein blech- mäßig kerngesunder Null- zweier mit Erstzulassung im März 71, den Dirk erst kurz zuvor für 200 Mark seinem örtlichen Schrotthändler abgekauft hatte, stand schon als Basis für den Umbau bereit. Ursprünglich sollte seine Freundin das Ersthand Auto mit einer Laufleistung von 56.000 Kilometern bekommen, doch besagter Unfall des Rallye-Käfers führte zur kurzfristigen Prioritätenverschiebung. Für seine "Herzdame" gab es stattdessen einen ebenfalls sehr manierlichen Nulldreier.

Kommunikation ist im Rallyesport alles, doch ohne die Gegensprechanlage (Sparco) versteht man sein ei- genes Wort nicht
Das künftige Wettbewerbsauto wurde nach allen Regeln der Kunst (inklusive Trennung von Aufbau und Fahrgestell) zuerst blechmäßig restauriert. Rostreparaturen waren nur an einem Schweller und an den Endspitzen vonnöten. Weil der Rallyeeinsatz vor allem die Karos- serie bis an die Materialgrenze beansprucht, schweißte Dirk zur Versteifung zusätzlich Cabrioholme ein. Aus dem Vorgängerfahrzeug übernahm er den Heigo-Käfig, der sich glücklicherweise unbeschädigt bergen ließ. Ferner ersetzte er die Frontschürze für den verdeckten Ölkühler Anbau durch die ge- schlitzte US-Version.

Anschließend überstellte Dirk das Häuschen zur Lackiererei, um den authentischen "Salzburg Look" aufbringen zu lassen. Zur
Öko-Feigenblatt: Für die Teilnahme an DMSB- Rallies ist ein ungeregelter Kat vorgeschrieben
Reparaturkostenbegrenzung nach kaum vermeidlichen Bles- suren im Renneinsatz empfahl der Lackierer einen Einschicht-Metalliclack von Glasurit im Farbton "Weißaluminium", der für den Nutzfahrzeugbereich ange- boten wird. Auf eine Klarlackschicht konnte damit verzichtet werden. Beide Hauben wurden erst in Glanzschwarz lackiert und anschließend mit mattem Klarlack übergenebelt.

Nach dem Heimtransport komplettierte Dirk zunächst den Innenraum seines "Silber-schwarzen Renners" mit einem Lenkrad vom "Gelb-schwarzen Renner". Die vier Kilo leichten (!) Kevlaer-Carbon- Komposit-Sitze der Marke Corbeau besorgte sich Dirk ebenso wie die 70 mm breiten Luke Vierpunktgurte aus England.
Auslaufsicher verpackte Batterie - falls der Käfer mal “Kopfstand” macht...
Letztere entsprechen sogar der neuesten FIA-Norm. Das Armaturenbrett seines Käfers wurde über und über mit unverzichtbaren Zusatzinstrumenten bestückt.
Einige davon ("Tripmaster" mit Meterzähler und Stoppuhr) benötigt der obligatorische Beifahrer, um den Piloten bei Wertungsprüfungen präzise dirigieren zu können. "Dem Aufgabenfeld des Rallye-Beifahrers könnte man eine eigene Story widmen," sagt Dirk, "er ist an Rennerfolgen wie -Mißerfolgen wirklich zur Hälfte beteiligt, denn er muß unterwegs die Aufschriebe erstellen, korrekt stempeln, Bulletins interpretieren und Nerven wie Stahlseile haben, um die ständige Fahrerei im Grenzbereich auszuhalten. Mein jetziger, Nieki Karrasch, ist geradezu prädestiniert für diesen Job." Die gewinnentscheidende Kommunikation zwischen Fahrer und Beifahrer erfolgt über eine Helm- Gegensprechanlage von Sparco, ohne die man in dem lauten Auto kaum sein eigenes Wort verstünde.

Wie Golfspieler ihre Schläger wechseln, haben sich bei Dirk im Laufe der Zelt bei Fahrwerk und Reifen je nach Einsatzbedingungen und Untergründen drei unter- schiedliche Favoriten ergeben. Für unebene Schotter- pisten bevorzugt er vorne und hinten Bilstein- Gasdruckstoßdämpfer in spezieller Rallyeabstimmung und Federbeine mit um 4 Zentimeter höhergelegten Federtellern vorne (hinten errolgt die Höhenregulierung logischerweise über die Drehstabverstellung). Als Reifen verwendet er 165/45er Gummis von Maxsport (Typ Rallye Plus). die auf TDE-Stahlfelgen der Dimension 5,5x14 montiert sind.
Nächtliche Orientierungsfahrten enden ohne einen solchen “Tannenbaum” schnell mal in der Botanik
Für gemischte Untergründe (Asphalt/Schoner) haben sich gelbe Konis an der Hinterachse sowie eine etwas geringere Fahrzeughöhe bewährt. Die Intermediate- Reifen wahl rällt meist auf 185/60er von Yokohama (Typ A 032). Auf reinen Asphalt-pisten fthrt Dirk bevorzug? mit 45 mm-Tieferlegung (Hinterachsfedern vom C-Kadett an der Vorderachse und umgesteckte Drehstäbe hinten). In diesem Fall kommen auch vorne gelbe Konis zur Verwendung. Die dritte Variante Im Rädersektor ist eine 195/65er-Bereifung im 15-Zoll-Format (ebenfalls Yokohama) auf 5,5 Zoll breiten Lemmerz-Felgen. Jede dieser Varianten ist übrigens in die Fahrzeugpapiere eingetragen
Die Corbeau-Carbon-Schalensitze wiegen pro Stück nur zirka 4 Kilo!
.
Die Bremsanlage modifizierte Dirk mit guten gebrauchten Kerscher Komponenten (innenbelüftet) an der Vorderachse sowie mit Stahlflex Bremsleitungen. Ferodo- Rennbremsklötze (für Alfasud- und BMW- Hinteraehsen mit gleichen Abmessungen wie beim Käfer) packen auch nach mehreren Gewaltbremsungen an den selbst genuteten Scheiben noch giftig zu unter- stützt von Sparco-Rennbremsflüssigkeit mit höherem Siedepunkt (DOT 5.5).

Von den diversen 1600er-Triebwerks- varianten, die im Laufe der leuten Jahre im Motorraum ein- und auszogen, wollen wir hier nur die aktuelle. ca. 120 PS starke Version beschreiben, die sich bislang durch größte Standfestigkeit auszeichnete. Daß sie ungeöfi'nee gut 4.000 harte Rallye-Kilometer mit Drehzahlorgien bis 7.000 U/min überlebte, mag um so erstaunlicher erscheinen, da Dirk bei den Komponenten vieltich auf unveränderte VW-Originalteile zurückgriff. Dazu zählen gewöhnliche 1600er Serienkolben und -zylinder, eine Serienkurbelwelle mit unbearbeiteten
Pleueln (der gesamte Kurbeltrieb wurde lediglich mit dem um 3,5 Kilo erleichterten Schwungrad feingewuchtet) sowie Serien- kipphebel in 040er Zylinderköpfen, die Dirk vom Vorgängermotor übernahm. Da sie selbst an den neuralgischen Punkten noch absolut rißfrei waren, hatte er den Mut, nun doch die Ventilquerschnitte zu vergrößern (Einlaß 40 mm, Auslaß 35,5 mm). Außerdem erhöhte er die Verdichtung auf 9,8:1, was zum Verlust je einer Kühlrippe führte. Die Zündanlage übernahm Dirk zum Teil aus dem wassergekühlten Lager. So kombinierte er einen Bosch 009-Verteiler mit den Innereien einer kontaktlosen Golf 1 GTI-Zündung (Hallgeber und Schranke) sowie einem Steuergerät vom Golf II. Als typische Tuningteile finden sich lediglich 44er Weber -Doppelvergaser mit Eigenbau-Gasgestänge, eine Engle Nockenwelle (VZ 25) sowie eine Kennedy-Rennkupplung mit ungefederter Sintermetall-Mitnehmerscheibe. Sie ermöglicht die zuverlässige Kraftübertragung auf ein von Firma Eckstein individuell zusammengestelltes
Getriebe mit serienmäßigem erstem und zweitem Gang und einer Übersetzung von 1:1,36 im Dritten sowie 1:1,14 im Vierten . Die Gesamtachsübersetzung beträgt 4,125. Zusätzlich verfügt die Schaltbox über ein ZF-Sperrdifferential. "Damit gelang dem Uli ein echtes Meisterstück," lobt Dirk den Hamburger "Kübel-Meister". Es ist ein phantastisches Allround-Getriebe mit optimalen An- schlüssen."

Für nächtliche Orientierungsfahrten montierte Dirk analog zum Original vier Zusatzscheinwerfer vom Typ Hella Rallye 2000. Die äußeren dienen als Kurvenscheinwerfer und sind mit 60 Watt-Lampen bestückt, die inneren Fernscheinwerfer machen mit jeweils 100 Watt die Nacht zum Tage.

Der betriebene Aufwand hat seinen Preis, doch für Geizhälse ist der Rallyesport ohnehin nicht das Richtige. "Eine Saison kostet mich im Schnitt 10.000 Mark, wenn am Auto nichts Besonderes kaputtgeht," schätzt Dirk, "deshalb starte ich auch nicht bei historischen Rennveranstaltungen, sondern ganz bewußt in der aktuellen Gruppe H nach DMSB- Reglement. Die Kosten sind nämlich ungeffähr dieselben wie im Oldtimersport, mit dem Unterschied, daß es da meist keine anspruchsvollen Wertungsprüfungen gibt." Daß
Dirk mit seinem antiken Gerät auch unter den Youngstern keinesfalls die "rote Laterne davonträgt, stellte er erst kürzlich wieder bei der Havelland-Rallye unter Beweis: Unter ca. 50 gestarteten Autos landete er in der Gesamtwertung immerhin auf dem 15. Platz und in der 1600er-Klasse wurde er sogar Zweiter. Dazu sei angemerkt, daß seine direkten Konkurrenten Neuzeitautos vom Schlage eines Peugeot 205 GTI, Opel Corsa 1,6 oder Honda Civic mit VTEC-Motoren sind.

Über weitere Sponsoren außer "Käferland" und dem Schmierstoffspezialisten "Motul" würde Dirk sich natürlich sehr freuen. Er weist deshalb besonders darauf hin, daß er mit seinem außergewöhnlichen Auto natürlich immer das Ziel aller Medien und der ausgemachte Publikumsliebling ist. Die Resonanz ist trotz eingangs erwähnter Schumi-Manie nicht zu unterschätzen. So standen im letzten Jahr bei der Erzgebirgsrallye über 60.000 Leute an der Strecke. Neben den jetzigen Mäzenen dankt Dirk abschließend natürlich
seinem Team, zu dem neben Beifahrer Nieki grundsätzlich auch sein Bruder Frank als Servicemann zählt. Natürlich würde er sich über eine anhaltendes öffentliches Interesse am Rallyesport freuen. Vielleicht kommt ja im Jahr 2.026 ein, Youngster auf die Idee, den Nachbau des Salzburg-Käfer-Nachbaus in Angriff zu nehmen. Und vielleicht dient ihm dann die WOB dafür als Vorlage.

VW WOB!-tec

(Halter- bzw. Herstellerangaben)
   Basisfahrzeug: VW 1302 Limousine
   Erstzulassung: März 1971
             Motor: Typ 1
Hubraum in ccm: 1.584
  Leistung in PS: ca. 120

Motorextras:
feingewuchtete Serienkurbelwelle mit Serienpleueln, Engle-Nockenwelle VZ 25, bearbeitete 040er-Zylinderköpfe mit größeren Ventilen (Einlaß 40 mm, Auslaß 35,5 mm), Verdichtung: 9,8:1, Zündanlage mit Bosch 009-Verteiler Hallgeber und Schranke vom Golf 1 GTI, Steuer- gerät aus Golf II. 44er Weber-Doppelvergaser mit Eigenbau-Gasgestänge, Frontölkühler aus BMW 2002 touring, Kennedy-Rennkupplung mit ungefederter Sintermetall-Mitnehmerscheibe

Abgasanlage:
Rohrführung und Anschlüsse komplett Eigenbau bis auf Ahnendorp-Edelstahl-Schalldämp- fertopf und HJS-Kat

Getriebe:
Serien-Schräglenkergetriebe mit geändertem 3. Gang (1,36) und 4. Gang (1,14) durch Fa. Eckstein, Gesamtübersetzung 4,125

Federung/Stoßdämpfer:
unterschiedliche Varianten je nach Einsatzgebiet (Beschreibung siehe Text)

Räder:
unterschiedliche Varianten je nach Einsatzgebiet (Beschreibung siehe Text)

Bremsanlage:
An der Vorderachse Kerscher Scheibenbremsen, selbst genutet, hinten Trommelbremsen

Sonstiges:
4 Zusatzscheinwerfer Hella Rallye 2000, Corbeau-Schalensitze und Luke Vierpunktgurte aus England, Sportlenkrad aus "Gelb-schwarzem Renner", auslaufsicher verpackte Batterie, VDO- Zusatzinstrumente für Öldruck und -Temperatur sowie Batteriespannung, Tripmaster mit Meterzähler, Kartenleselampe an Beifahrertür, Sparco-Helm-Wechselsprechanlage, Webasto-Standheizung

 

Porsche Salzburg-Bericht aus GF 2/72

Porsche Salzburg-Bericht aus AMS 4/72

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