Frischzelle GUTE FAHRT 6/1971
von Hans-Rüdiger Etzold
Das viersitzige Käfer-Cabriolet ist einer der wenigen offenen Wagen in einer weltweiten Limousinen- Schwemme. Es ist ein schöner Anachronismus, heiß geliebt und
gut verkäuflich; ein Auto für Leute mit jungem Herzen. Die romantische Version technischer Zuverlässigkeit.
Das VW-Cabriolet wird nur mit dem 50-PS-
Motor geliefert. Da in der Karosserie die Lüftungsschlitze für die Motor-Ansaugluft feh- len, hat die Motorhaube einige Luftschlitze mehr.
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wei Hebel entspannen, ein kräftiger Ruck, und schon liegt das Dach zu- sammengefaltet und wohl arretiert im
Heck des Wagens. Die Frischzelle ist fahrfertig, das Fahren in Wind und Wet- ter wird zum Erlebnis. Ein Spaß, den VW zu gut bürgerlichen Preisen bietet. Denn unter den wenigen Autos, die sich noch
entblättern lassen, ist das VW-Cabrio von allen am preiswertesten. Allerdings muß man gegenüber einem Käfer rund 1700 DM mehr zahlen. Doch der Aufpreis ist berechtigt, denn wo das
stählerne Dach fehlt, muß man zur Karosserie-Stabilität andere Maßnahmen ergreifen. So sind denn auch im Cabrio viele Details anders, die sich bei der kleinen Serie natürlich im höheren Preis
niederschlagen.
Verstärkt wurde die Karosserie durch Blechlaschen an den Türausschnitten und durch verschiedene Holme, die der Zelle
genügend Festigkeit verleihen. Beim Fahren spürt man deshalb nur auf äußerst schlechten Pfaden, daß sich die Karos- serie gegenüber einer Limousine etwas stärker verwindet. Die vielen zusätzlichen
Verstärkungen haben das ursprüngliche Käfer-Platzangebot um einiges verringert und lassen in das Cabrio weniger Licht einfallen. Das liegt an der höheren Taille,
an der kleineren Windschutzscheibe und an dem Rück- fenster, dessen Größe an die Käferfenster der 50er Jahre erinnert. So ist der Blick im geschlossenen Zustand nach außen etwas geschmälert und man
tut gut daran, sich einen zweiten Rückspiegel für die rechte Seite zuzulegen. Dieser ist auch dann von Vorteil, wenn das Dach im Heck liegt. Zwar
läßt sich der innere Rückspiegel, exzentrisch gelagert, nach oben drehen, doch bietet er nicht die beste Übersicht.
Beim Cabrio können auch die hinteren
Seitenfenster vollständig in die Karosserie versenkt werden (oben)
Das gepolsterte Armaturenbrett wie auch das zweistufige Frischluftge-
bläse gehören im Cabrio zur Serien- ausstattung (links)
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Das sind aber alles Kleinigkeiten, die man als Cabrio-Fahrer in Kauf nimmt. Dafür hat man eben das, was um die Jahrhun-
dertwende fast alle Autos hatten: Ein Dach, das man vergessen kann. Es macht sich im zurückgeklappten Zustand höchstens als Bremsfallschirm bemerkbar, wenn die Höchstgeschwindigkeit von 133
km/h auf 125 km/h heruntersinkt. Eine Geschwindigkeit, die beim offenen Fahren als wesentlich höher eingeschätzt wird; da der unmittelbare Kontakt mit Wind und
Wetter das Gefühl für das wirkliche Tem- po durcheinanderbringt. Weshalb man schon von allein mit dem Gas sparsamer umgeht; denn über 90 km/h treibt
der Wind Tränen in die Augen. Vor allem jenen, die auf der hinteren Sitzbank dem Wetter ausgesetzt sind. Das hält
aber die meisten Cabrio-Fahrer nicht davon ab, schon bei den ersten kräftigen Sonnenstrahlen im Mai das Cabrio zu strippen.
In dieser Zeit, wenn die Röcke wieder kürzer und die Beine länger werden, handelt der Cabrio-Fahrer nach dem
Motto: ein Ruck, ein Zuck. Schon legt sich das Verdeck artig und leicht in Falten. Fahrer und Auto lüften aus, der
Mief aus der langen Winterzeit entweicht, es geht frischwärts. Selten, daß man einen Cabrio-Fahrer mit einem muffigen Gesicht antrifft.
Das Verdeck
Unter den wenigen Cabrios, die sich auf dem Markt noch halten, hat das Käfer-Cabrio das solideste Dach. Hier be-
steht es nicht aus einer Zeltplane, die über nacktes Stahlrohr gezogen wurde. Der Himmel im Cabrio ist aus freund-
lichem Kunststoff, der die vielen Spriegel und Stangen dem Blick der Insassen entzieht. Kräftiger Flachstahl mit
breitem Profil sorgt beim Verdeck in Verbindung mit einer Gummiabdichtung rundum für einen fast luftdichten Ab-
schluß. So ist es dem Verdeck im geschlossenen Zustand verwehrt, sich wie ein Luftballon aufzublasen. Und da
zwischen Außen- und Innen- haut ein kräftiges Isoliermaterial eingelegt wurde, muß man im Winter weder mit
Ohrenschützer noch Schal und Hut die Fahrt antreten. Das Verdeck ist dicht und hält die Wärme.
Übrigens hat man die Wahl zwischen drei Verdeckfarben: einem Schwarz, Silber oder Beige, das dem freundlichen
Auto gut steht. Einer besonderen Pflege bedarf das Verdeck nicht: Hin und wieder muß die Außenhaut mit Kunst-
stoffreiniger bearbeitet werden, und der Klapp-Mechanismus braucht ab und zu einige Tropfen Öl. Treten
Quietschgeräusche zwischen Fensterrahmen und Dachprofil auf, genügt zur Beruhigung das Einreiben mit Glyzerin.
Die Ausstattung
Im Schlepptau des Ganzstahlkäfers prosperierte auch das Cabrio: In jedem Modell-Jahr erhielt es die gleichen
technischen Verbesserungen. So hat es denn auch die neue Federbein-Vorderachse, die den größeren Kofferraum
beschert; es hat außerdem die aufwendige Schräglenker-Hinterachse, die so gut ist, daß Porsche-Salzburg Käfer
dieser Bauart (ohne große Fahrwerksänderungen), bestückt mit einem 110 PS-Motor, in harten Rallies mitstreiten
läßt. Und es hat schließlich noch zusätzlich einige Ausstattungsdetails serienmäßig, denn das Cabrio gibt es nur in
der L-Ausstattung. Damit erhält man automatisch eine Reihe von lnterieur-Annehmlichkeiten, die natürlich auch in
dem Mehrpreis von rund 1700 DM (gegenüber der Limousine) zu berücksichtigen sind. Für das Wohlbefinden der
Insassen weht frische Luft aus dem zweistufigen Gebläse, der Innenspiegel ist abblendbar, das Armaturenbrett
gepolstert, und auf der Beifahrer-Sonnenblende klebt ein Make-up-Spiegel. Die Stoßstangen zieren Gummileisten,
an den hinteren Kotflügeln halten Chrombleche den Steinbewurf ab. Rückfahrscheinwerfer, eine zweite Türtasche und ein verschließ- barer Handschuhkasten sind selbstverständlich.
Verzichten muß der Cabrio-Fahrer auf die Zwangsentlüftung, dafür lassen sich aber die hinteren Seitenfenster voll
in die Karosserie versenken. Was man sonst - eventuell - noch zum Wohlbefinden benötigt: Gürtelreifen,
Verbundglas-Windschutzscheibe, beheizbare Heckscheibe und dergleichen mehr, muß freilich auch beim Cabrio
zusätzlich bezahlt werden. Nicht verzichten sollte man auf die Cabrio-Spanndecke, die beim offenen Wagen über
den Innenraum gespannt werden kann. Das Anbringen dieser Decke erfordert allerdings die gleiche Zeit wie das Verschließen des Verdecks.
Das Triebwerk
Faltverdeck, Spriegel und zusätzliche Verstärkungsholme haben das Gewicht des Cabrio um einen guten Zentner ge
- genüber der Limousine anschwellen lassen. Die Entscheidung, das Cabrio nur mit der 50 PS-Maschine zu liefern,
ist deshalb richtig. Zumal auch das nicht sehr windschlüpfrige Kunststoffdach die Fahrleistungen dezimiert.
Dennoch war unser Test-Cabrio mit einer Spitze von 133 km/h recht munter. In den Beschleunigungszeiten lag es
sogar günstiger als die zuletzt von uns getesteten 1302 S-Käfer (GUTE FAHRT 4/71). Und auch der Benzin-
verbrauch überraschte angenehm, denn von allen bislang von uns gefahrenen neuen Käfern hatte das Cabrio den
geringsten Durst. Sicherlich lag das zum Teil auch an den milden Maitagen, wodurch die Maschine schneller auf
Betriebstemperatur kam (dies gilt für den Stadtverbrauch). Auf der Autobahn, bei einem Schnitt von 115 km/h, lag der Verbrauch exakt bei 10 l/100 km.
Bei unserem letzten 1302 S-Test war bei gleicher Geschwindigkeit der Verbrauch auf 100 km um 1,5 l höher.
Mitunter wünschen sich einige Cabrio-Fahrer mehr Motorleistung. Sie verwechseln das Cabrio mit einem
Sportwagen, das es nicht ist und nicht sein kann. Vom Fahrwerk aus gesehen bestehen hier allerdings keinerlei
Einwände. Nur, die schwere Karosserie mit dem hohen Luftwiderstand setzt dem höheren Spitzentempo natürliche
Grenzen. Eine getunte Maschine würde in erster Linie den Wagen spurtstärker machen, an Höchstgeschwindigkeit gewinnt er kaum.
Das Fahrwerk wird mit der gebotenen Leistung in keiner Weise überfordert. Vor allem die Schräglenker-Hinterachse
zwingt in den Käfer einen so breiten, neutralen Fahrbereich, daß jede Kurve, und mag sie noch so scharf ange- gangen sein, mit ein wenig Fahrgefühl gemeistert werden kann.
Die neue Federbein-Vorderachse vermittelt dem Cabrio einen deutlich besseren Federungskomfort. Zwar schüttelt
sich das Cabrio auf anatolischen Wegen auch heute noch kräftig durch, dennoch sollte man auf Gürtelreifen für
dieses Fahrwerk nicht verzichten. Mögen sie auch noch eine Spur härter als Diagonalreifen sein.
Marktchancen
Ohne die 5000 neuen Käfer pro Tag gäbe es kein Cabrio. Dieses Produktions-Rückgrat ermöglicht dem Cabrio Marktchancen, die einem
Kleinse- rienauto sonst nicht gegeben sind. Man kauft sich da keinen Exoten, der nach wenigen Jahren nur noch zum Schrottwert gehandelt wird. Der offene VW gilt als Liebhaberwagen mit
hohem Wiederverkaufswert. Das liegt mit an seinem guten Image, das man entweder hat - oder nicht. Der Käfer hat es und das Cabrio ganz besonders. Mit dem Cabriolet sind Sie
überall richtig angezogen. Egal, ob Sie nun zum Bundes- präsidenten müssen oder Ihren Kleinmüll zur Kippe befördern wollen. Auch
Zusätzliche Blechverstärkun- gen - an den Türausschnitten
und vor allem auch im Heck - geben dem Cabrio die nötige Steifigkeit, verringern aber auch etwas das Raumangebot.
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heben Sie sich dezent von der geschlossenen Blechzunft ab, ohne daß sie beim Nachbarn - ob
Ihres Autos - als überspannt gelten. Tritt man die Urlaubsreise in die Türkei, nach Griechenland oder einem noch weniger industrialisierten Land an, egal wo man sich befindet, in jeder Schmiede
kann dem Cabrio geholfen werden. Alle zum Fortkommen wesent- lichen Ersatzteile fahren auch im normalen Käfer und werden überall auf der Welt gehandelt. Sinnvollerweise empfiehlt es
sich jedoch, will man ferne Länder bereisen, gleich eine Windschutz- scheibe aus Verbundglas mitzubestellen. Sie zerbröckelt bei Bruch nicht
und hält sich solange im Fensterrahmen, bis Ersatz vorhanden ist. Alle anderen Ersatzteile kann man getrost zuhause lassen. Das Cabrio profitiert auch hier von der Millionen-Bruderschaft.
Mut zum Cabrio
Vielleicht sind Sie gerade auf der Suche nach einem neuen Auto, und Sie haben sich schon für einen Käfer ent-
schieden, ohne zu bedenken, daß es aus dem gleichen Stall ein Käfer-Cabrio gibt. Vielleicht ist Ihr Anhang nicht zu
groß, oder die Kinder befinden sich noch im Fernseh-Flipper Alter, und vielleicht müssen Sie mit der Mark nicht zu
arg knausern. Dann sollten Sie sich einmal überlegen, ob nicht auch für Sie ein Cabrio in frage kommt. Glauben Sie
nicht an das Märchen, zum Cabrio gehöre unbedingt eine Garage. Das Kunststoffdach hält garantiert länger, als
der Erstbesitzer das Auto fährt. Bedenken Sie, mit dem Cabrio beginnt der Tag ganz einfach freundlicher, die Um-
welt wirkt schöner, die Mitmenschen netter, die Fahrt zur Arbeit wird zum Genuß, weil man fleißig an der frischen
Luft schnuppern kann. Es ist ganz bestimmt ein erhabenes Gefühl, wenn man morgens - ein Ruck, ein Zuck - das
Dach zur Seite schiebt, in die Frischzelle einsteigt und vom Gesicht der Grauschleier verschwindet. Auch fährt man
im Cabrio viel ruhiger und beson- nener. Schließlich will man sehen und gesehen werden. Und man sieht die Umwelt
tatsächlich mit anderen, fröhlicheren Augen. Noch, denn es könnte sein, daß in einigen Jahren die dann verschärf-
ten Sicherheitsbestimmungen allen Cabrios den Garaus machen, weil ihnen das fehlt, was sie so romantisch macht: das Stahldach.
Hans-Rüdiger Etzold
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