Ausgabe 5/72


Leistung bedeutet nicht nur im menschlichen Leben viel, sondern noch mehr im Automobilgeschäft. Denn seit es mit Benzinmotoren betriebene Autos gibt, spielt die PS-Zahl eine sehr wichige Rolle; sie entschei- det nicht nur darüber, ob sich ein Automobil schnell oder nur langsam bewegen kann, sondern sie ent- scheidet ebenfalls maßgeblich da- rüber, ob es sich gut oder schlecht verkauft. Leistung war immer gefragt — vor fünfzig Jahren schon, als der Selbst- beweger Auto noch zum Privileg besonders begüteter Krei- se zählte, und sie ist es auch heute, wo sich das Auto auf Grund weitester Verbreitung manchmal selbst im Weg ist.
Für die meisten Automobilfirmen bedeutete der latente Wunsch der Käuferschicht, noch etwas schneller fahren und noch etwas besser beschleunigen zu können, eine kontinuierliche Anpassung, die im Laufe der Entwicklung zu einem allgemein erhöhten PS-Niveau führte. Tatsächlich hatten normalerweise schwache Autos wenig Aussichten auf Verkaufserfolge — bis eben auf ganz wenige Ausnahmen Zu diesen Ausnahmen zählt in erster Linie der VW Käfer, der seine rund 15 Millionen Besitzer noch niemals leistungsmäßig verwöhnt hat. Er wurde zwar im Laufe der letzten Jahre ebenfalls immer etwas stärker, aber aus der Rolle des PS-Nach- züglers kam er bis heute nicht heraus. Geschadet hat ihm das freilich in keiner Weise: Käfer wurden in vielen Fällen nicht trotz, sondern wegen ihrer geringen Leistung gekauft, und die automobilistische Mehr- heit bewies damit, daß sie Zuverlässigkeit und Lebensdauer ebenso oder noch mehr schätzen kann wie hohe Leistung. Und für das in großen Stückzahlen denkende Volkswagenwerk wurde die Not zur Tugend: Man war auf der einen Seite gar nicht in der Lage, die thermisch hochbelasteten Vierzylinder für die Serie so aufzufrischen, daß sie auf dem Prüfstand einen Vergleich mit moderneren und vielfach zierlicheren Kon- struktionen ausgehalten hätten, aber man hatte es auf der anderen Seite auch gar nicht nötig. Am hoch leistenden Käfer war nur eine verschwindend kleine Minderheit interessiert, und mit ihr brauchte man nicht zu rechnen.
PS von der Mahag
Dafür rechnen andere mit dieser Minderheit, nämlich die Tuningfirmen, die dem Käfer nachträglich und meist in verschiedenen Stufen zu jener Motorleistung verhelfen, die bei modernen Motoren dieses Hub- raums längst selbstverständlich ist, im Käfer hingegen für Überraschungseffekte sorgen kann. Denn auch im frisierten Zustand wird der Käfer mit anderen Maßstäben gemessen; 75 oder gar über 80 PS gelten in diesem Auto auf alle Fälle als respektabel wenn sie auch effektiv nicht mehr bedeuten als das, was schon ein alter Opel Rekord oder 17 M zu bieten hat.
Zu den Firmen, die dem Käfer zu solch relativ großen Leistungssprüngen verhelfen, zählt auch die Mahag, Münchens größte VW-Niederlassung. Die Größe des Betriebes brachte es auch mit sich, daß man das Tuning von VW-Motoren sehr professionell betreiben konnte, in einer eigens dafür vorgesehenen Abteilung,

 Vorzüge
 - Gute Fahrleistungen
 - Sicheres Kurvenverhalten
 - Funktionelle Ausstattung

 Nachteile
 - Lautes Motorgeräusch
 - Starke Seitenwindempfindlichkeit

in der ebenfalls erfolgreiche Formel V-Motoren entstanden. Zum ge- steigerten Fahrvergnügen auf regulärer Landstraße bietet die Mahag beim Käfer-Programm im wesentlichen drei verschiedene Frisier- stufen an, die alle auf dem 1,6 Liter-Modell basieren. Wäh- rend die Tuningstufe 1 bei unwesentlicher baulicher Veränderung 55 PS lie- fert, bekommt man mit der zweiten Stufe schon rund 63 Pferde — Tuningstufe III gar läßt das 1,6 Liter große Käfer-Triebwerk auf offi- zielle 75 PS klettern. In der Praxis aber hat gerade dieser Motor eher noch etwas mehr Leistung, was in Anbetracht des bautech- ninischen Aufwandes auch plausibel erscheint. So kam der 75 PS-Motor in den Genuß von zwei Doppel- vergasern mit Naßluftfiltern, einer geänderten Nockenwelle mit größeren Überschneidungen, spezieller Ventilstößel und -federn, widerstandsfähigerer Pleuellager, bearbeiteter Zylinderköpfe und Pleuel und an- derer Kolben, die das Verdichtungsverhältnis auf 8,5 : 1 erhöhen. Der höheren thermischen Belastung beugt ein zusätzlicher Ölkühler vor, der unterhalb der vorderen Stoßstange montiert ist und der — ther- mostatisch gesteuert — immer dann in Aktion tritt, wenn das Motorenöl im Kurbelgehäuse deutlich wär- mer als 100° C wird. Der Aufwand für die Fahrwerksmodifikation ist vergleichsweise gering: Mit Bilstein- Stoßdämpfern, Tieferlegen vorn und hinten und spurverbreiternden 51/2 Zoll Felgen erweist sich der ohne- hin mit einer modernen Doppelgelenkachse ausgerüstete 1302 sowohl dem zusätzlichen Leistungspaket als auch den Auflagen des TÜV gewachsen. Die nüchterne Beschreibung dieser Tuning-Modifikationen sagt freilich wenig darüber aus, wie ein solcher Käfer auf der Straße wirkt, und in diesem Zusammenhang ist wirklich gut, ihn aus der Nähe gesehen zu haben. Tatsächlich kommt ja aus rein optischer Sicht den Fahrwerksänderungen die weitaus größere Bedeutung zu: Zusammen mit voluminösen Reifen des Formats 175 SR 14, die unter deutlich wahrnehmbaren Kotflügelverbreiterungen hausen, gibt sich der breitbeinig über dem Boden kauernde Käfer nahezu als Schreckgespenst seiner eigenen Gattung, und selbst die fröh- liche Ornamentbemalung, die die Mahag ihrem mit dem Zulassungszeichen M - EX 300 laufenden Parade- pferd zuteil werden ließ, mildert den Eindruck von Gewalt nur wenig.

Daß es in der Tat richtig ist, einem solchen Käfer mit einem gewissen Respekt entgegenzutreten, zeigt sich denn auch beim Fahren sehr deutlich. Zwar darf man nicht mit sensationellen Höchstgeschwindig- keitswerten rechnen, doch dafür mit ausgezeichneter Beschleunigung. Vom Stand auf 80 km/h kommt dieser stärkste Mahag-Käfer in nur 7,2 Sekunden, und wer möglichst schnell auf 100 km/h beschleunigen möchte, muß dafür nicht mehr als 11,7 Sekunden opfern. Gemessen am Basismodell, dem 1302 5 mit 50 PS, bedeuten diese Ziffern einen sehr beachtlichen Zuwachs an Temperament. der um so deutlicher in Erscheinung tritt, je höher das zu erreichende Tempo ist. Denn während der Original-Käfer nahezu 40 Sekunden benötigt, um auf 120 km/h zu beschleunigen, braucht das Frisierstück dazu noch nicht einmal die Hälfte an Zeit, nämlich 17,6 Sekunden. In der Höchstgeschwindigkeit gewinnt man runde 20 km/h: Der 75 PS-Käfer erreichte genau 157,5 km/h ein Wert, der an Käfer-Maßstäben gemessen sehr gut, effektiv hingegen nicht sonderlich aufregend ist.
Diese Feststellung legt auch klar, wo die Chancen eines leistungsmäßig stark aufgefrischten Käfers lie- gen. Sie liegen keinesfalls auf der Autobahn, denn hier erweist sich der Mahag-VW nur als gutgehendes, nicht aber beherrschendes Auto. Auf Landstraßen ändert sich dieses Bild schlagartig: Sobald aus niedrigen Geschwindigkeiten voll beschleunigt werden muß und sobald Berge oder Kurven für Auflockerungen des Fahrablaufs sorgen, spielt das Tuning-Exemplar respektable Rollen, die es in der Auto hierarchie ziemlich weit oben rangieren lassen. Und Konkurrenz entsteht bei weitem nicht mehr aus den eigenen Reihen, sondern allenfalls weit darüber: Man muß nämlich eine Giulia haben oder einen BMW 2002, um dem blauen Popstück deutlicher wegfahren zu können.
Aber auch jenseits solcher Kräftemessungen verspricht der überstarke VW beträchtliche Fahrtreude, was in erster Linie damit zusammenhängt, daß der 75 PS-Motor neben seiner hohen Leistung ebenfalls noch Laufkultur zu bieten hat. So läßt sich der frisierte 1,6 Liter-Motor schon ab 2000 U/min beschleunigen und offenbart auf der anderen Seite eine für VW-Motoren beachtliche Drehfreudigkeit: 6000 Touren lassen sich, zumal in den beiden unteren Gängen, geradezu blitzartig realisieren, wobei man als erfreuliche Rander- scheinung ein sehr sonor klingendes Ansauggeräusch verzeichnen kann. Für Leute, die jemals einen Porsche Super 90 gefahren haben, ist der speziell in der Gegend um 3000 Touren zur vollen Güte entwik- kelte Ton ein alter Bekannter: Er unterscheidet sich in nichts von dem. was damals in den Vierzylinder- Porsche beim vollen Beschleunigen zu hören war. Im übrigen konnte man im Mahag-Käfer noch das Getriebe hören, das vor allem beim Schiebebetrieb Geräusche produzierte. Die Gangabstufung wurde beim 75 PS-Käfer ebensowenig geändert wie die Gesamtübersetzung, was nur insofern zu beachten ist, als der lang übersetzte IV. Gang relativ wenig Beschleunigungskraft zur Verfügung stellt. Immerhin kann man sich aber mit dem bis etwa 125 km/h reichenden dritten Fahrbereich in der Praxis gut behelfen — im übrigen hat der langgeratene Vierte natürlich auch sein Gutes: Der Mahag Käfer kommt selbst während längerer Gefälle nicht in gefährliche Drehzahlbereiche.

Sicheres Fahrwerk
Daß die vergleichsweise hohen Fahrleistungen auf der Straße mühelos reproduzierbar sind, liegt vor allem daran, daß der im Fahrwerk straffer ausgelegte und mit breiten Felgen und Reifen bestückte Käfer ein durchweg gutmütiges Verhalten in Kurven an den Tag legt. Hier hat er, sozusagen ganz nach Wunsch, immer genau das zu bieten, wonach seinem Fahrer gerade der Sinn steht: Das Mahag Auto ist nämlich gleichermaßen untersteuernd wie neutral oder übersteuernd, und es kommt beim forcierten Betrieb ganz darauf an, wie man es gerne hätte. Dabei ist die hohe Motorleistung ein nicht unwichtiger Faktor der Be- einflussung: Besonders in den beiden unteren Gängen, in denen sehr viel Zugkraft zur Verfügung steht, läßt sich ein gut kontrollierbares Ausschwenken des Hecks bewerkstelligen, während das Auto ohne diese Zutat nach anfänglichem Untersteuern über einen sehr weiten Bereich neutral bleibt und dieserart mit allen vier Rädern zu einem harmlosen Drift ansetzt. Von Tücke kann niemals die Rede sein — die höhere Aufmerksamkeit, die das frisierte Auto nötig hat, resultiert allein aus der Tatsache, daß man in Kurven aufgrund der möglichen höheren Querbeschleunigungen wesentlich schneller ist als mit dem Serien-Pen- dant. Dafür lassen die hohen Querbeschleunigungen eine andere Schwäche um so deutlicher in Erschei- nung treten, denn immer dann, wenn hohes Kurventempo genutzt wird, sinkt der Öldruck auf unzulässig niedrige Werte, von denen er sich nur langsam und längst nach Passieren der Kurve wieder erholt. Offen- sichtlich ist die Wirkung der ins Kurbelgehäuse eingezogenen Ölschwabbelbleche nur begrenzt — in An- betracht der Motorlebensdauer empfiehlt sich hier, nachdem eine Trockensumpf- Schmierung außerhalb des Angebots bleibt, sorgfältige Zurückhaltung.

Ähnliche Zurückhaltung ist auch bei starkem Seitenwind angebracht, denn der Sicherheitsgewinn, den das modifizierte Fahrwerk grundsätzlich auch für diese Anforderungen bereithält, wird in der Praxis durch die höhere Leistung und die höheren Geschwindigkeiten aufgezehrt. Den Fahrleistungen gewachsen sind die Bremsen: Der Käfer läßt sich selbst aus 150 km/h sicher und spurtreu verzögern, wenn auch mit sehr hohem Pedaldrücken.
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Es ist klarerweise kein ganz billiges Vergnügen mehr, einen Käfer zu fahren, der in den gängigen Berei- chen so gut beschleunigt wie ein BMW 2002 und der auch beim Kurvenfahren den Vergleich mit einem solchen Auto nicht zu scheuen braucht. Aber ein Vergnügen bleibt es dennoch — selbst wenn man be- denkt, daß der Parade-Käfer der Mahag, im Münchner Betrieb auf die Kosebezeichnung Mex hörend, rund 12000 Mark kostet. Daß es schon immer teurer war, einen besonderen Geschmack zu haben — dafür ist dies ein neuer, deutlicher Beweis.                                                                                   Klaus Westrup

ZUM VERGLEICH

VW 1302 S Mahag Tuning

VW 1302 S Serie

VW 1600 Sauer- Tuning

Alfa Romeo Giulia Super

BMW 1602

ccm

1.554

1.584

1.584

1.570

1.573

Leistung           PS/U/min

75/4900

50/4000

75/4900

103/5500

85/5700

Beschleunigung in s

 

 

 

 

 

0          bis   60 km/h

4.4

6,8

4.4

4,9

5,2

0          bis   80 km/h

7,2

11,8

7.2

7,2

8,4

0          bis 100 km/h

11.7

19,3

11,7

10,8

12,9

0          bis 120 km/h

17,6

38.0

18,1

15.5

20,4

0          bis 140 km/h

29,6

32,3

22,1

33,2

1 km mit stehendem Start

33.5

39,7

34,0

32,2

34,8

Höchstgeschwindigkeit km/h

157,5

134.3

152,5

184,6

161,0

www.vw1302.de